Mittwoch, 7. Oktober 2015

Resümee nach 1 Monat Schule - Eine Berg- und Talfahrt der Gefühle

Mir ist gar nicht mehr bewusst, dass ein Schulanfang so aufregend sein kann.
Wir hatten in den 4 Wochen Höhen und Tiefen mit Fräulein Y. erlebt.
Die ersten 2 Wochen lief der Schulbesuch sehr gut. Sie ging problemlos zur Schule und teilte uns auch immer nach der Schule mit, was sie alles gemacht hatte.
Plötzlich fing sie an, sich zu weigern zur Schule zu gehen und sagt, dass die Schule doof sei.
Einen Grund konnte sie uns nicht nennen, außer dass sie zu Hause bei den Eltern bleiben wolle.
Es bedrückt sie so sehr, dass sie jeden Morgen anfing zu weinen und zu flehen, nicht zur Schule gehen zu müssen.
Wir hatten auch schon das Gespräch zu ihrer Klassenlehrerin gesucht. Die Klassenlehrerin hat nun ein kleines Sternebuch für sie erstellt mit einem Belohnungssystem. Wenn sie ohne weinen in die Klasse geht, bekommt sie ein Sternchen und kann bei 10 gesammelten Sternchen eine Spielstunde für die Klasse gewinnen.
Das Sternebuch hatte ihr anfangs auch viel Mut gemacht und stolz suchte sie sich ein Sternchen aus und klebte es in ihr Büchlein.
An manchen Tagen erzählte sie nach der Schule auch stolz, wieviele Sternchen sie schon hat. Aber an anderen Tagen war ihr das Sternchenbuch egal und sie fing wieder an zu weinen.
An mangelnder Freundschaft liegt es nicht, auch wenn sie sich etwas unsicher fühlt, da sie noch nicht alle Kinder in ihrer Klasse kennt. Sie hat 2 Kinder, mit denen sie täglich spielt und die Klassenlehrerin teilte mir auch mit, dass das Weinen sofort aufhörte, sobald der Unterricht anfing.
Der Übergang von zu Hause zur Schule würde sie wohl sehr traurig machen und sie fühlt sich unsicher und haltlos.
Zugegeben ist es in der Schule auch sehr laut und wuselig. Da kann ich verstehen, warum sie sich von den tobenden Kindern einschüchtern lässt.
Wenn wir ankommen, kommt auch immer ihre Freundin und holt sie an der Klassentür ab, um dann mit ihr zu spielen. Nun haben wir auch ein erstes Nachmittagstreffen für die beiden abmachen können.
Beide Kinder freuen sich auch schon sehr, wenn die Freundin zu uns kommt und ich hoffe, dass Fräulein Y. sich durch die nachmittaglichen Verabredungen sicherer und selbstbewuster fühlt.
Ich hatte auch schon eine Familienberatung kontaktiert und letzte Woche mein erstes Gespräch mit einer Psychologin gehabt. Ich muss sagen, dass dies für mich anfangs sehr befremdlich war, da ich nicht wusste, was auf mich zu kommt und über was ich genau mit ihr reden sollte, damit sie mir gute Tipps geben kann. Aber die Psychologin war sehr nett und das Gespräch verlief sehr entspannt und ungezwungen. Meine Befürchtung, Fräulein Y. würde an einer Schulphobie leiden, konnte sie zum Glück nicht bestätigen. Sie meinte aber, dass Fräulein Y. aufgrund unserer 2-gleisigen Erziehungsweise (da mein Mann und ich unsere Kinder anders erziehen 'wollen' und somit gegenseitig ein Bein stellen) verunsichert ist und ihre Handlungen dementsprechend darauf aufbaut, selbst keine Verantwortung übernehmen zu wollen. Auch fehle ihr die eigene Körperwahrnehmung und sie fühlt sich schwach und verletzlich.
Da die meisten Schulkinder groß, stark und offensiv sind, fühlt sich unsere Tochter ziemlich klein und eingeschüchtert. Das mag wohl der Grund sein, warum sie morgens nicht gerne zur Schule geht.
Sobald sie gefühlt "angekommen" ist, ist dann alles gut und sie genießt das Lernen und Spielen in der Schule. Das merken wir auch immer, wenn wir sie aus dem Kinder Club abholen.
Die Psychologin empfiehlt uns daher, ihr morgens das Gefühl zu vermittelt, dass die Schule spannend ist und ihr kleine Aufgaben geben, die sie für uns machen kann (z.B. ein paar englische Worte merken, die sie uns dann beibringen kann).
Sie soll nicht das Gefühl bekommen, dass die Schule eine Pflicht ist, was wieder auf Arbeit und Anstrengung zurück zu führen ist.
Der wichtigste Punkt aber ist, dass mein Mann und ich uns abstimmen müssen, wie wir zusammen den Kindern gegenüber auftreten wollen und einen Kompromiss zwischen unseren verschiedenen Erziehungsstilen finden. Allein dieser Rückhalt würde unserer Tochter schon eine Menge Mut zur Selbstentscheidung geben und sie bekommt das Selbstvertrauen, was wir uns von ihr wünschen, zurück.
Diese Woche lief es morgens schon recht gut bei ihr. Sie fing nicht zu Hause an zu weinen und ging sehr selbstbewusst aus dem Haus und zur Schule. Sobald sie aber im Flur zu ihrer Klasse ankommt, wo viele Kinder am rumtoben sind, macht sie sich klein und sucht bei mir die Sicherheit.
Nächste Woche habe ich ein weiteres Gespräch mit der Psychologin, wo mein Mann auch mit dabei sein wird.
Als Fräulein Y. am Montag ohne weinen und ohne Anstalten mit der Klassenlehrerin in die Klasse ging, fragte Mister M. mich ganz verwundert, warum Fräulein Y. nicht geweint hatte.
Es brach mir ein wenig das Herz, als er es fragte und ich hoffe, dass er es nicht als ein alltägliches Ritual empfindet. Er hatte es auch verstanden, als ich ihm versuchte zu erklären, dass es eigentlich keinen Grund gibt, zu weinen und dass Fräulein Y. heute mutig genug war.
Wenn wir ihn nach dem Kindergarten fragen, wie der Kindergarten war, antwortet er auch immer: "Gut! Ich heute nicht weinen." und nickt dabei ganz überzeugt.